Was bringen KI-Tools für die Schule und wie sollte man sie einsetzen? didacta Digital hat mit zwei Wissenschaftlerinnen gesprochen, die einen Leitfaden dazu verfasst haben.

Interview: Franziska Schuberl

didacta Digital: Wie können Lehrende und Lernende von KI profitieren?

Berit Blanc: KI-Technologien bieten zahlreiche Möglichkeiten, den Unterricht zu verbessern und zu individualisieren. Sie können als Assistenten Zeit sparen, personalisiertes Lernen fördern und Medienkompetenzen stärken.

Das klingt, als biete der Einsatz von KI nur Vorteile. Ist das so?

Blanc: Der richtige Einsatz kann auf jeden Fall eine Bereicherung für den Schulalltag darstellen, sofern man sich der Einschränkungen und Herausforderungen bewusst ist, die jedes System mit sich bringt. Es ist wichtig, KI und deren Output immer kritisch zu hinterfragen. KI-Nutzung bringt zudem ethische und datenschutzrechtliche Fragen mit sich.

Welche zum Beispiel?

Blanc: Künstliche Intelligenz nutzt oft tausende von Bildern oder Tonaufnahmen als Trainingsdaten, ohne diese Quellen offenzulegen. Viele dieser Datensätze enthalten private und sensible Informationen, die ohne Zustimmung von Webseiten kopiert wurden. Dies wirft ethische und rechtliche Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind. Um Missbrauch zu vermeiden, sollten zum Beispiel persönliche Fotos nicht öffentlich geteilt werden, da sie als Trainingsdaten für KI-Systeme verwendet oder manipuliert werden könnten.

Monica Hochbauer: Bildgeneratoren können etwa Stereotype und tradierte Rollenbilder reproduzieren. KI-Systeme haben weder einen moralischen Kompass noch Gespür für kulturelle Kontexte. Ihre Ergebnisse können unangemessen sein oder Minderheiten nicht angemessen repräsentieren.

Wie sieht es mit dem Datenschutz der Schülerinnen und Schüler aus?

Hochbauer: Als Lehrkraft ist es wichtig, den Datenschutz zu beachten und zu klären, wie personenbezogene Daten an ihrer Schule erhoben werden können, ohne gegen Datenschutzrichtlinien zu verstoßen.

Blanc: Lehrkräfte können auch Chatbots nutzen, die keine Nutzerdaten speichern, um die Privatsphäre zu wahren. Bei intelligenten Tutoring-Systemen sollten die Daten lokal gespeichert und datenschutzkonform behandelt werden.

Was sind die wichtigsten KI-Technologien für schulische Zwecke?

Hochbauer: Das lässt sich so klar nicht sagen, denn die Potenziale und Risiken sind vielfältig. Wir unterscheiden sieben verschiedene Gruppen von KI-Technologien, die derzeit schulisch relevant sind.

Welche sind das?

Hochbauer: Individuell und schnell nutzbare KI-Technologien sind zum Beispiel textgenerierende und -übersetzende Systeme, material- und bildgenerierende Systeme, Text-to-Speech- und Speech-to-Text-Systeme sowie intelligente Tutoring- und Empfehlungssysteme. Die KI-Technologien, die nur auf Schulebene eingeführt werden können, sind prüfungsunterstützende Systeme, Learning Analytics und Educational Data Mining sowie Bildungs- und unterrichtsorganisierende Systeme.

ChatGPT ist nicht speziell für den Bildungsbereich entwickelt worden. Was können textgenerierende und -übersetzende Systeme an Schulen leisten?

Blanc: Lehrende können mit diesen Systemen effizient Lernmaterial erstellen. Sie können schnell und unkompliziert fremdsprachige Übungen oder Modelltexte für verschiedene Textarten generieren. Mit Anwendungen wie DeepL können Lehrkräfte Texte übersetzen und Unterstützung bei der Entwicklung von Formulierungen erhalten.

Hochbauer: Diese Systeme können auch differenzierte Aufgaben erstellen: Lehrkräfte können etwa Aufgaben und Übungsmaterial nach Leistungsstufen oder Verständnisniveaus anpassen, zum Beispiel mit dem Prompt „Erstelle eine Version dieses Textes in Leichter Sprache“.

Das hört sich nach einer großen Zeitersparnis für Lehrkräfte an.

Hochbauer: Definitiv. Besonders in der Ideenphase kann KI nützlich sein, um Anregungen für den Unterricht zu erhalten. Lehrkräfte können Zeit sparen, indem sie die KI Vorschläge für Unterrichtseinheiten und Aufgaben generieren lassen. Textgeneratoren können auch Vokabellisten oder Lückentexte erstellen.

Blanc: Lehrkräfte können zum Beispiel auch mit KI-generierten Bildern, Illustrationen oder Erklärvideos ihre Unterrichtsstunden anreichern.

Und dieses generierte Material können sie ohne weiteres verwenden?

Blanc: Nein. Das Material muss vorher immer nochmal auf Richtigkeit und Angemessenheit überprüft werden.

Hochbauer: Generell ist es bei der Arbeit mit KITools wichtig, dass Lehrkräfte und Schüler/-innen Ergebnisse stets kritisch hinterfragen und nicht unüberlegt übernehmen.

Wie können material- und bildgenerierende Systeme noch zum Einsatz kommen?

Hochbauer: Mit Bildgeneratoren können Lehrkräfte schnell und unkompliziert frei nutzbares Bildmaterial für Arbeitsblätter oder Präsentationen erzeugen. Besonders effizient sind Anwendungen, die speziell für Bildungskontexte entwickelt wurden, in denen Lehrkräfte Unterrichtsentwürfe speichern, verwalten und teilen können wie zum Beispiel mit dem Programm „To Teach“.

Blanc: KI-generierte Bilder können Kindern, die Schwierigkeiten beim Schreiben haben, helfen, kreativer zu werden. Zum Beispiel indem sie die Bilder von Charakteren oder Szenen, die ihnen eine KI erstellt hat, beschreiben.

Eignen sich KI-Tools für alle Fächer?

Blanc: Es gibt für jedes Fach spannende Tools. Für den Musikunterricht gibt es zum Beispiel KI-Musik- und Songgeneratoren. Damit können Schülerinnen und Schüler eigene Musikkompositionen in verschiedenen Stilen erstellen oder einzelne Bestandteile von Liedern herausnehmen, um den Aufbau von Musikstücken spielerisch zu erkunden.

Hochbauer: Im Kunstunterricht können Schülerinnen und Schüler mit bildgenerierender KI verschiedene Kunststile und -epochen erkunden, berühmte Künstler nachahmen oder Vorlagen für eigene Werke schaffen. Dies kann Diskussionen anstoßen und die künstlerische Kreativität fördern.

Inwieweit kann KI personalisiertes Lernen unterstützen?

Blanc: Learning Analytics und Educational Data Mining ermöglichen personalisiertes Lernen, indem sie Lerninhalte an die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler anpassen. Lernende können durch Anwendungen wie „Eduten“ oder „Diagnose und Fördern“ eine Übersicht über ihren Lernfortschritt erhalten und gezielt an ihren Schwächen arbeiten. Lehrkräfte können wiederum diese Daten nutzen, um den Unterricht besser auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abzustimmen und ihnen individuellere Unterstützung zu bieten.

Die sieben Arten von KI-Systemen für die Schule

Textgenerierende und -übersetzende Systeme
Systeme, die Lehr- und Lerntexte generieren, zusammenfassen, vervollständigen, paraphrasieren, kürzen oder übersetzen.
Zielgruppen: Lernende, Lehrende

Material- und bildgenerierende Systeme
Systeme, die sonstige Unterrichtsmaterialien wie Bilder, Videos, Präsentationen oder Arbeitsblätter generieren.
Zielgruppen: Lernende, Lehrende

Intelligente Tutoring- und Empfehlungssysteme

Wissensbasierte intelligente Tutoring- und Empfehlungssysteme, die individuelles Feedback zu Lern- und Testleistungen geben oder, basierend auf verschiedenen Merkmalen der Lernenden, die Reihenfolge von Lerninhalten personalisiert anpassen beziehungsweise empfehlen.
Zielgruppen: Lernende, Lehrende

Prüfungsunterstützende Systeme
Systeme, die für die Generierung und Korrektur von Aufgaben und Prüfungen eingesetzt werden. Zielgruppen: Lehrende, Institutionen

Learning Analytics und Educational Data Mining
Analyse von Lernverhalten, Vorhersagen oder frühzeitige Warnungen etwa zum Lernverlauf und -erfolg sowie Evaluation von Bildungsprozessen.
Zielgruppen: Lehrende, Institutionen

Bildungs- und unterrichtsorganisierende Systeme
Systeme, die Administration und Organisation des Unterrichtsgeschehens erleichtern oder für Planung und Management von Bildungsprozessen eingesetzt werden.
Zielgruppen: Lehrende, Institutionen

Text-to-Speech- und Speech-to-Text-Systeme
Umwandlung von Text in Sprache und umgekehrt, zum Beispiel für Lernende mit Seh- oder Höreinschränkungen oder für die Erstellung von Sitzungsprotokollen im Kollegium.

Zielgruppen: Lernende, Lehrende, Institutionen

Dieses Interview ist zuerst im Magazin didacta Digital Ausgabe 2/2024, S. 20-23 erschienen.